Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (AEMR) von 1948 besagt, dass «jeder Mensch ohne jede Diskriminierung das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit hat».1

Seitdem hat sich viel getan: Unter anderem wurde die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung in vielen Ländern verboten, dennoch bleibt viel zu tun.

Viele renommierte Organisationen vertreten die Ansicht, dass es beim derzeitigen Tempo Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte dauern könnte, bis sich der Gender-Pay-Gap schliesst.

Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in Europa

Die Ergebnisse des ADP-Forschungsinstituts in seiner neuesten Jahresstudie zur Stimmung unter Arbeitnehmern – People at Work 2023: A Global Workforce View – stützen diese Kritik. Unsere Untersuchungen zeigen, dass es immer noch erhebliche Unterschiede zwischen den Löhnen von Männern und Frauen in den europäischen Ländern gibt, die in unsere Studie einbezogen waren.2

Auch wenn sich dieser Artikel auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Europa konzentriert, ist dies ein Thema über Kulturen und Ländergrenzen hinweg. Auch wenn Unternehmen Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter und der Teilhabe von Frauen am Arbeitsplatz gemacht haben, können gesellschaftliche, kulturelle und manchmal auch religiöse Ungleichheiten den Fortschritt noch immer bremsen.

Europäische Variationen des Fortschritts

Während im Durchschnitt 34 % der Männer und 25 % der Frauen unter den Arbeitnehmern der Meinung sind, dass es in ihrem Unternehmen besser um die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen bestellt ist als noch vor drei Jahren, variiert der Anteil derjenigen, die dieser Meinung sind, in den einzelnen Ländern stark:

  • Italien 24 %
  • UK 27 %
  • Niederlande 28 %
  • Polen 28 %
  • Deutschland 29 %
  • Frankreich 35 %
  • Spanien 36 %
  • Schweiz 45 %

45 % der Arbeitnehmer in der Schweiz sind der Meinung, dass sich die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen in ihrem Unternehmen in den


Der Stellenwert des Lohns

Es überrascht nicht, dass die meisten europäischen Arbeitnehmer den Lohn als wichtigsten Grund für ihre Tätigkeit angeben. Mehr als sechs von zehn Arbeitnehmern (62 %) sind dieser Meinung, was in etwa dem globalen Anteil (61 %) entspricht.

Die Bedeutung des Lohns variiert jedoch zwischen den Geschlechtern, wobei mehr Frauen (67 %) als Männer (59 %) sagen, dass er wichtig ist. Interessanterweise sind trotz dieser relativen Bewertung weniger Frauen (36 %) als Männer (41 %) mit ihrem Lohn zufrieden.

Und obwohl die Inflation von Land zu Land unterschiedlich ist und in ganz Europa sinkt, erwarten 50 % der Arbeitnehmer in der Region in den kommenden zwölf Monaten eine Lohnerhöhung, die ihre Haushaltskasse entlastet

Faktoren, die den Gender-Pay-Gap beeinflussen:

  • Die gläserne Decke
    Hindernisse, die Frauen daran hindern, die Karriereleiter zu erklimmen
  • Klebrige Böden
    Nachteile, die Frauen in schlechter bezahlten Positionen halten
  • Bestrafung für Mutterschaft
    Verlust an Lebenseinkommen wegen Kindererziehung durch Frauen

Gender-Pay-Gap in Europa im Vergleich zum Rest der Welt

Europa gilt als eine der fortschrittlichsten und arbeitnehmerfreundlichsten Regionen unter den entwickelten Ländern. Die diesjährige Studie People at Work belegt jedoch, dass in den grossen Volkswirtschaften noch einiges zu tun ist, um Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern zu erreichen.

Insbesondere konnten die Lohnerhöhungen, die Frauen in Europa in letzter Zeit erhalten haben, nicht mit denen der Männer Schritt halte. Es verwundert daher nicht, dass auch die Frauen in diesem Jahr weniger erwarten.

Beispielsweise stiegen im letzten Jahr die Löhne der Männer weltweit um durchschnittlich 6,7 % gegenüber 6 % bei den Frauen. Für das kommende Jahr rechnen Männer mit einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von 8,5 %, bei Frauen sind es rund 8 %.

Diese globalen Unterschiede spiegeln sich auch in Europa wider. Im Vorjahr belief sich der durchschnittliche Lohnanstieg bei Männern auf 5,7 %, bei Frauen dagegen auf 4,9 %. Und auch hier erwarten Frauen einen Lohnzuwachs von rund 6 %, während Männer durchschnittlich von 6,6 % ausgehen.


Mehr Frauen als Männer in Europa glauben, dass sie unterbezahlt sind:

  • 48 % der Männer fühlen sich für ihre Arbeit unterbezahlt
  • 56 % der Frauen fühlen sich für ihre Arbeit unterbezahlt

Eine neue Richtlinie des Rates der Europäischen Union (EU) zur Lohntransparenz

Für Unternehmen in der EU gelten neue Bestimmungen zur Lohntransparenz. Sie müssen Informationen darüber liefern, wie viel sie Frauen und Männern für gleichwertige Arbeit zahlen, und Massnahmen ergreifen, wenn ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle 5 % übersteigt.

Die Bestimmungen sehen vor:

  • Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten haben jährlich über ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle zu berichten
  • Kleinere Unternehmen (zunächst solche mit mehr als 150 Arbeitnehmern) müssen alle drei Jahre Bericht erstatten
  • Entschädigung für Opfer von Lohndiskriminierung
  • Sanktionen, einschliesslich Geldstrafen für Arbeitgeber, die gegen die Regeln verstossen
  • Obligatorische Informationen für Arbeitsuchende über Einstiegslöhne und Gehaltsspannen von Stellen
  • Verbot von Fragen über die früheren Löhne des Bewerbers
  • Intersektionelle Diskriminierung* 
  • Beweislastumkehr – Arbeitgeber müssen nachweisen, dass sie nicht gegen EU-Vorschriften verstossen haben

Die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz trat am 6. Juni 2023 in Kraft. EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 7. Juni 2026 Zeit, die Bestimmungen in ihr nationales Recht umzusetzen.

*Intersektionalität
Die kumulative Art und Weise, in der sich mehrere Formen der Diskriminierung (z. B. ethnische Zugehörigkeit, Behinderung und – im Fall dieses Artikels – Lohn und Geschlecht) überlagern oder überschneiden können – insbesondere bei den Erfahrungen von marginalisierten Personen oder Gruppen.


Jenseits des Lohns – wie sich die Geschlechter in ihren Berufslaufbahnen unterscheiden

  • «Ich bin mit meiner beruflichen Entwicklung zufrieden»
    Männer 39 %, Frauen 35 %
  • «Mein Arbeitgeber und ich sprechen über berufliche Weiterentwicklung»
    Männer 51 %, Frauen 45 %
  • «Mein Beitrag wird wahrgenommen und anerkannt»
    Männer 57 %, Frauen 53 %
  • «Mein Arbeitgeber bietet Beratung zum Thema Finanzen»
    Männer 43 %, Frauen 33 %
  • Durchschnittliche unbezahlte Überstunden pro Woche
    Männer 7,38, Frauen 6,11

Gender-Pay-Gap in Europa – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich

Hinsichtlich der Einschätzung der Arbeitnehmer zu den Fortschritten bei der Lohngleichheit sind die Hauptergebnisse unserer Studie nicht besonders vielversprechend. Fast die Hälfte der europäischen Arbeitnehmer (43 % der Männer und 50 % der Frauen) ist der Auffassung, dass ihr Arbeitgeber im Vergleich zu vor drei Jahren keine Fortschritte bei der Bezahlung von Männern und Frauen gemacht hat.

Der Blick ins Detail offenbart jedoch ein differenzierteres Bild. So nennen beispielsweise 11 % der mit ihrer derzeitigen Beschäftigung unzufriedenen Arbeitnehmer den Gender-Pay-Gap als einen Faktor, aber nur 5 % der Männer stimmen dem zu.

Darüber hinaus nimmt die Unzufriedenheit mit dem Gender-Pay-Gap mit zunehmendem Alter der Arbeitnehmer ab, von 10 % der 18- bis 24-Jährigen auf nur 7 % der über 55-Jährigen.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zu den Auswirkungen des Gender-Pay-Gap unterscheiden sich nämlich nicht nur zwischen Männern und Frauen. Sie variieren auch nach Altersgruppe, Elternstand und Alter der unterhaltsberechtigten Kinder, sowie nach Region und Grösse des Arbeitgebers.

Interessanterweise geben weltweit 53 % der Arbeitnehmer in den grössten Unternehmen (mit mehr als 1000 Beschäftigten) an, dass sie eine Verbesserung der Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen in ihrem Unternehmen bemerken. Aber in Europa sehen das nur 29 % der Arbeitnehmer in den grössten Unternehmen so. In mittelgrossen Unternehmen ist die Situation ähnlich: Die europäischen Arbeitnehmer sehen einfach nicht die gleichen Fortschritte bei der Schliessung des Gender-Pay-Gap wie ihre Kollegen weltweit.

„In meinem Unternehmen ist die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen besser als vor drei Jahren“

 

Unternehmen mit
250–500 Arbeitnehmern

Unternehmen mit
501-999 Arbeitnehmern

Global

58%

65%

Europa

33%

31%


Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz – macht der Familienstand einen Unterschied?

„In meinem Unternehmen ist die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen besser als vor drei Jahren“:

  • 28 % der Eltern stimmen zu/32 % der Nicht-Eltern stimmen zu
  • 23% der Mütter stimmen zu/33% der Väter stimmen zu
  • 29 % der Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 10 Jahren stimmen zu
  • 20 % der Eltern mit Kindern über 18 Jahren stimmen zu

Warum es wichtig ist, den Gender-Pay-Gap zu schliessen

Zahlreiche Studien zeigen, dass Arbeitnehmer, die mit dem Engagement ihres Unternehmens für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (DEI) zufrieden sind, sich doppelt so stark engagieren wie unzufriedene Arbeitnehmer.

Die Schliessung des Gender-Pay-Gap kann ähnliche Vorteile für die Führungskräfte der europäischen Unternehmen bringen:

Unterstützung von Unternehmen beim Recruitment und der Bindung der besten Talente durch:

  • Steigerung der Moral und Motivation im gesamten Team
  • Unternehmen in die Lage versetzen, sich als fair und transparent zu präsentieren
  • Entlastung des HR-Teams von der undankbaren Aufgabe, eine ungerechte Gehaltsstrategie zu vertreten und diese zu rechtfertigen

Erfüllung gesetzlicher Auflagen: Begrenzung des Risikos von Bussgeldern und Reputationsschäden, die sich aus der Nichteinhaltung von Vorschriften ergeben könnten (siehe die oben erwähnte neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz)

„Transparenz ist ein wichtiges und oft vergessenes Element zur Beseitigung desLohngefälles. Wissen ist Macht, und wenn Mitarbeiter mehr Informationen über die Gehälter ihrer Kollegen und über vergleichbare Tätigkeiten in ihrer Branche haben, können Frauen ihre Verhandlungsposition stärken und das Lohngefälle mit der Zeit verkleinern.“

- Nela Richardson, ADP-Chefvolkswirtin und Leiterin des ADP-Forschungsinstituts


Arbeitgeber ignorieren den Gender-Pay-Gap auf eigenes Risiko

Eine frühere Untersuchung3 des ADP-Forschungsinstituts ergab, dass 69 % der europäischen Arbeitnehmer – 65 % der Männer und 73 % der Frauen – ihre Arbeitsstelle kündigen würden, wenn sie herausfänden, dass ihr Arbeitgeber ein ungerechtes geschlechtsspezifisches Lohngefälle praktiziert.


Um das Gender-Pay-Gap zu beseitigen, sollten Arbeitgeber:

Eltern unterstützen mit …

  • zuverlässiger, erschwinglicher Kinder- und Familienbetreuung und
  • flexiblen Arbeitsmöglichkeiten (z. B. Teilzeit und Job-Sharing)

Mehr Frauen in Führungspositionen einstellen …

  • Die Präsenz von Frauen an der Spitze ist entscheidend
  • Dies trägt dazu bei, Lohn- und Rollenunterschiede zu beseitigen

Transparenz fördern …

  • Arbeitnehmer über Löhne im Unternehmen und in der Branche informieren

Lohndifferenzen untersuchen und beseitigen …

  • daran arbeiten, sie künftig zu vermeiden
  • Gleichstellung zu einem zentralen organisatorischen Wert machen
  • über klar definierte Strategien und Vorgehensweisen verfügen

Die Verfügbarkeit der richtigen Daten zur Förderung der Lohntransparenz in Europa

Angesichts des derzeitigen Wirtschaftsklimas können es sich Arbeitgeber nicht leisten, die Bedeutung der Entlohnung – und einer gerechten Entlohnung – im Leben ihrer Arbeitnehmer zu übersehen.

Verantwortliche in den Bereichen Management und HR, Lohnabrechnung und Finanzen können durch die Einführung eines integriertenLohnabrechnungs- und HR-Systems, das die zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen präzisen Echtzeitdaten liefert, die Lohnunterschiede abbauen und den Gender-Pay-Gap ein für alle Mal schliessen.

Darüber hinaus kann eine wirksame Personalentlohnungsstrategie, die einem Unternehmen hilft, das richtige Lohnniveau zu erreichen und beiden Geschlechtern gerecht zu werden, das Unternehmen in die Lage versetzen, auf einem angespannten Arbeitsmarkt Talente anzuwerben, zu honorieren und zu halten.

“In einer kürzlich durchgeführten ADP-Studie4 gaben 27 % der Lohnabrechnungsexperten in europäischen Unternehmen an, dass «DEI (einschliesslich Lohntransparenz/Lohngerechtigkeit)» eine der wichtigsten geschäftlichen Triebfedern für die Umgestaltung ihrer Lohnabrechnung in den nächsten zwei bis drei Jahren darstellt. Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr europäische Unternehmen dieses Thema priorisieren – vor allem wenn 35 % dieser Arbeitgeber zugeben, dass ihnen die erforderlichen analytischen Ressourcen in ihrem Team für die Entgeltabrechnung fehlen. Wie wir aus früheren ADP-Studien wissen, geht es nicht nur um die Einhaltung neuer Gesetze wie der EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Unternehmen müssen den Arbeitnehmern aktiv beweisen, dass sie unfaire Lohnpraktiken für Frauen und Männer abstellen, wenn sie Arbeitnehmer an sich binden möchten. .“

- Corinne Carles, Senior Director Total Rewards bei ADP


Um weitere Einblicke in den Gender-Pay-Gap sowie eine breite Palette exklusiver globaler, regionaler und lokaler Informationen über die Arbeitswelt zu erhalten, laden Sie Ihr kostenloses Exemplar von People at Work 2023: A Global Workforce View herunter.

Form PaW 2023

Was wollen Arbeitnehmer und wie können Sie es ihnen bieten?

Die zwischen dem 28. Oktober und 18. November 2022 durchgeführte Studie People at Work 2023: A Global Workforce View ist eine Studie des ADP Research Institute®, die Ihnen wichtige Einblicke in die Ansichten, Ambitionen, Wünsche und Bedürfnisse von 32.612 Arbeitnehmern in 17 Ländern gibt, darunter über 8.613, die ausschliesslich in der Gig-Economy arbeiten.


Quellen:

1-  Vereinte Nationen
2-  ADP-Forschungsinstitut, People at Work 2023: A Global Workforce View – Untersuchte europäische Länder: Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich
3- ADP-Forschungsinstitut, People at Work 2022: A Global Workforce View – Untersuchte europäische Länder: Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich
4- ADP, The potential of payroll in 2024: Global payroll survey